Bewegte Tage in der Schifffahrt: In den ersten Minuten des jungen 17. Februar 2012 hat ein es Kapitän irgendwo zwischen Ibiza und Formentera geschafft, seinen Katamaran satt auf einer Insel abzusetzen. So ungefähr sieht das aus. Nun haben wir in letzter Zeit ja recht häufig Bilder von Schiffen in Extremsituationen gesehen, und wäre die Havarie vor der Insel Giglio nachrichtenseitig nicht so raumgreifend gewesen, hätten wir noch mehr vom inzwischen vor Neuseeland versunkenen Frachter "Rena" oder von der italienischen Fähre "Sharden" gesehen, die ein Schneesturm ziemlich folgenschwer auf den Hafendamm von Civitavecchia gedrückt hat.

Was ist nur los? Was passiert mit all den Schiffen? Alle Kapitäne blind?

Vielleicht. Aber nicht nur. Der berüchtigte, aus dem Untergrund agierende Management-Philosoph Victor P. Lupoff soll irgendwann zwischen der Einnahme diverser berauschender Genussmittel einmal Folgendes gesagt haben: "Nimm den besten und erfahrensten Kapitän der Welt und gib ihm dazu die allerbeste Crew, die Du finden kannst. Die beste Schiffsmannschaft - und trotzdem kann keiner das Schiff auch nur einen Meter zur Seite drehen. Alles, was die tun können ist, das Ruder um ein paar Grad zu verstellen. Der Rest passiert anschliessend irgendwie und du kannst nur hoffen, dass es ungefähr das ist, was du dir vorgestellt hast."

Will sagen: Man kann ein Schiff zwar steuern, aber nicht abschliessend bestimmen, wo es hinfährt. Es scheint - abstrahiert ausgedrückt - nicht alles so direkt beeinflussbar zu sein, wie wir das gerne hätten. Obwohl wir Verantwortlichkeiten festgelegt, Prozesse dokumentiert, die nötigen Tools implementiert und das Ergebnis als bonusrelevant erklärt haben: Es scheint Dinge zu geben, auf die man bestenfalls Einfluss nehmen kann.

Jedem intuitiv völlig klar - und trotzdem sind wir regelmässig erschüttert, wenn Dinge sich anders entwickeln, als wir sie geplant, gesteuert und vermeintlich umgesetzt haben. Wenn beispielsweise Kate immer noch nicht verstanden hat, dass ihr Surface to Air Beacon-Miniröckchen nach nix aussieht, obwohl wir mit 18 dislikes alles Menschmögliche dafür getan haben. Solche Sachen.

"Bitte unterscheiden Sie bei allem was Sie tun zwischen indirekten Variablen und direkten Variablen" fordert uns ein Oberlehrer auf, der zu den interessantesten seiner Gilde zählen dürfte: Prof. Peter Kruse, promovierter Psychologe mit Forschungserfahrungen in Neurophysiologie und Experimentalpsychologie - heute immerhin noch Unternehmensberater. Indirekte Variablen direkt verändern zu wollen, dürfte vergebene Liebesmüh sein. "Kulturveränderungsprojekte", "Innovationsinitiativen" und dergleichen mehr werden nicht viel bringen - vielmehr müssen (man sehe ihm die professorale Sprache nach) "indirekte Möglichkeitsräume" geschaffen werden, aus denen die gewünschten Muster anschliessend "emergieren". Mehr dazu in diesem Interview.

Das ist der zentrale Punkt, der für jeden gültig ist: Unternehmer, Mitarbeiter, Schüler, Lehrer, Vater, Mutter, Künstler, Zuschauer oder einfach internetsurfender Mensch: Ich muss erstens wissen, dass es direkte und indirekte Variablen gibt. Und ich muss zweitens verstehen, wann ich es mit welcher zu tun habe.

Und dann kann man in die Details gehen. Dann kann man anfangen, sich Gedanken über Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu machen. Dann kann man sich beispielsweise überlegen, was getan werden muss, damit ein Unternehmen innovativ wird. Oder was es dazu braucht, dass eine online-Community dynamisch wird. Und erst dann sollte man anfangen zu arbeiten - eine existenzielle Einsicht, die den Unterschied macht!

Hätte Mark Zuckerberg das nicht sehr früh verstanden und sich nicht auf die Optimierung der Rahmenbedingungen seiner Plattform konzentriert, würde er die ganzen wertvollen Textbeiträge ("Gehe jetzt gleich ins Bett", "Nein bin eigentlich doch noch nicht müde", "Mist, jetzt ist mir mein Föhn runtergefallen", "Wer hat Lust auf eine Runde Farmville?" usw. usf.) selber erfassen, hätte Tag und Nacht damit zu tun - und müsste für den Lebensunterhalt nebenbei noch putzen gehen. Muss er aber nicht. Jetzt liegt er vermutlich auf irgendeiner Yacht und überlegt sich, welche Farbe sein Geldspeicher bekommen soll.

Die richtigen Variablen zu bearbeiten macht den kleinen Unterschied.

Ich bin kein Oberlehrer. Sonst würde ich jetzt sagen: "Nehmt das bitte mit ins Wochenende! Überlegt Euch, wo Ihr Eure Energie auf dem Versuch verbratet, indirekte Variablen direkt zu steuern und dann hört damit auf! Egal, ob es dabei um das Innovationsklima des Unternehmens oder um den Hausfrieden in den eigenen vier Wänden geht! Ändert das, was Ihr wirklich ändern könnt und schafft für alles andere die richtigen Rahmenbedingungen!"

Aber wir wollen uns von oberlehrerhaftem Geschwätz nicht die gute Laune verderben lassen. Und irgendjemand muss ja hier auch noch putzen...!

Ich freu mich auf jeden Fall schon drauf - und grüsse herzlich!

Frank