Macht Wissen schuldig?

Unter den Werbeslogans gehört er mit seinen 24 Jahren zu den Veteranen - neben der vielleicht längsten Praline der Welt, den dank Entkalkertablette und bebartetem Servicetechniker länger lebenden Waschmaschinen und der zartesten Versuchung, seit es Schokolade gibt (die hat's bis zu ihrem jähen Ableben im Jahre 2010 immerhin auf 37 Jahre gebracht):

Just Do it.

Für welche Marke er steht, braucht nicht gesagt zu werden - durchaus ein Indiz seiner Wirksamkeit. Inhaltlich ist er eine Art Fortsetzung von Erich Kästners "Es gibt nichts Gutes - ausser: man tut es", greift allerdings noch weiter. Es geht hier nicht mehr um den losen Beschrieb des Zusammenhangs von Tat und Wirkung - es klingt vielmehr wie eine wiederholte Aufforderung, die mit lakonischer Note sagen will: "So langsam haben wir genug gequatscht, irgendwelche Ziele daherphantasiert und über Möglichkeiten sinniert. Also komm' in die Gänge und mach' einfach mal". Ein bisschen Schelte für's Nichtstun schwingt durchaus mit.

Schelte für's Nichtstun gibt's auch von höherer Stelle: "Denn wer da weiss Gutes zu tun und tut's nicht, dem ist's Sünde" schreibt einer der neutestamentlichen Briefeschreiber - seines Zeichens leiblicher Bruder Jesu und ein "Spätbekehrter". Umso gewichtiger seine Aussage: Das bessere Wissen kann zum Verhängnis werden, wenn es nicht zu Taten führt.

Daraus leitet sich etwas Interessantes ab: ein zwingendes Gleichgewicht von Wissen und Tun, von Erkenntnis und Handlung, das ein Abgleiten ins eine oder andere Extrem verbietet: Man soll ja einerseits Lösungen sehen, sich Ziele setzen, Strategien entwickeln, sogar Visionen haben - oder einfach: man soll einen Plan haben. Man muss wissen und erkennen, wohin es gehen soll. Aber andererseits verpflichtet jeder gute Plan auch zur Handlung. Wer ein gutes Ziel hat, soll in die Gänge kommen und einfach mal machen.

Ein Gleichgewicht also zwischen Plan und Aktion! Keine Aktion ohne Plan (das haben wir einmal irgendwo gelernt) und - noch nicht sehr weit verbreitet - kein Plan ohne Aktion.

Und diese Sicht ist durchaus neu: Jeder nicht getane Schritt zählt nicht einfach "nichts", er zählt negativ. Er wird zur Bürde, läuft gegen mich. Ein Prinzip, dass Erfinder gelegentlich zu spüren bekommen: Zeichnen sich die Möglichkeiten einer Erfindung ersteinmal plastisch ab, sollte man sich an die Umsetzung machen. Wer's nicht tut, darf zuschauen, wie's ein anderer macht. Und darf sich anschliessend das Ergebnis seiner Erfindung im Laden kaufen - zum Listenpreis, nota bene.

Ist Nichtstun also eine Art Fluch, der umso verheerender wirkt, je besser ich den Plan kenne?!  Ist Wissen neuerdings Bürde statt Macht? Unbequem und nicht sonderlich wochenendtauglich, aber offensichtlich eine Art gültige Regel.

Wie gehen wir damit um, mit dieser Erkenntnis des letzten (sic!) Kapitels zur "Optimierung des Systemelements Mensch"?

Vielleicht so: Hoffen, dass man nichts weiss, nichts begreift und keine Idee hat, wie's weitergehen sollte. Wenig lesen (um Himmels willen auch diesen Blog nicht mehr), wenig fragen, wenig nachdenken. Sinn- und planlos sein - und alles daran setzen, es zu bleiben. Das entspannt und entledigt jeglicher Verpflichtungen: Wenn ich nichts Vernünftiges zu tun weiss, dann kann's auch keine Sünde sein, es nicht zu tun.

Und falls es doch einmal anders kommt? Falls einem die völlige Ahnungslosigkeit einmal nicht gelingen sollte?

Naja, dann wären wir wieder bei unserem Sportartikelhersteller und seinem alten Slogan. Dann sind wir wieder bei Jakobus und bei Erich Kästner - und bei einem Fazit, das alle drei zusammenfasst: Dann gibt's vielleicht doch mal was Gutes, weil wir's einfach tun.

Die Umsetzung, das Machen, das Realität-werden-lassen, das Transformieren vom Gedachten und Gesprochenen ins Getane, ins tatsächlich Bewirkte - das ist, nüchtern betrachtet, das einzige, was überhaupt irgendetwas bewirkt. Deshalb sollte man es nicht ganz vergessen. Und wenn wir hier im Blog einige wunderschöne Optimierungsmöglichkeiten des nicht ganz unkomplizierten Systemelements "Mensch" gesehen haben, sind das schöne Worte, nett verpackt. Aber morgen etwas anpacken, ändern, neu machen: Nur das bewirkt etwas.

Und damit das ganze nicht zu ernst wird und doch noch ein bisschen chillige Atmosphäre beim Umsetzen aufkommt, nehmen wir noch einen weiteren Slogan dazu. Der kommt von einem krass verzuckerten Süssgetränk, hat sich ähnlich lang gehalten - und ist in der Aussage nicht minder gut:

Enjoy!

Beste Grüsse,

Frank

Die Sache mit dem Mensch: Finale
Kontingente und Quoten? Super, wie man sieht.

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Kommentare 2

Andrea (website) am Samstag, 05. Mai 2012 00:18

Es gibt da noch bergpredigt, die da wettert "gepriesen sind die geistig armen, denn ihnen gehoert das himmelreich" oder den bissigen spruch "hilf dir selbst, dann hilft dir gott". Und ja es steckt tatsaechlich im zynismus der aufruf zur handlung. Buerde oder macht? So lange wir menschen eher von schuldzuweisungen als von loeseungsansaetzen und der angst was falsch zu machen gettieben werden, ist es buerde und laehmt. Ansonsten ist es macht und staerke, die uns auf unseren weg voranbringt. Wichtig ist in fer abfolge der dteiklang: ueberlegt denken, mit engelszungen reden und beherztes tun, das ich mit meinem gewissen gott gegenueber verantworten kann.

Es gibt da noch bergpredigt, die da wettert "gepriesen sind die geistig armen, denn ihnen gehoert das himmelreich" oder den bissigen spruch "hilf dir selbst, dann hilft dir gott". Und ja es steckt tatsaechlich im zynismus der aufruf zur handlung. Buerde oder macht? So lange wir menschen eher von schuldzuweisungen als von loeseungsansaetzen und der angst was falsch zu machen gettieben werden, ist es buerde und laehmt. Ansonsten ist es macht und staerke, die uns auf unseren weg voranbringt. Wichtig ist in fer abfolge der dteiklang: ueberlegt denken, mit engelszungen reden und beherztes tun, das ich mit meinem gewissen gott gegenueber verantworten kann.
frank (website) am Samstag, 05. Mai 2012 17:40

du hast recht, andrea: das reden gehört als dritter bestandteil ebenfalls dazu - im sinne "tue gutes und rede darüber". dann kommt man zu dem dreiklang, den du beschreibst.

du hast recht, andrea: das reden gehört als dritter bestandteil ebenfalls dazu - im sinne "tue gutes und rede darüber". dann kommt man zu dem dreiklang, den du beschreibst.
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