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Kontingente und Quoten? Super, wie man sieht.

Frauenquoten, Männerquoten, Ausländerquoten, Behindertenquoten, Akademikerquoten, Altersquoten und so weiter und so fort. Die wichtigsten Merkmale unserer Mitarbeiter haben wir verquotet. Und diskutieren über Kontingente, um die Quoten in den Griff zu bekommen. Wir hoffen dadurch auf Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und maximale Erträge.

Dumm nur, wenn wir dabei etwas Wichtiges vergessen hätten. Das Wichtigste vielleicht?!

"Drei Typen bevölkern die Wirtschaftswissenschaften:", sagt Lutz von Rosenstiel im Interview mit Spiegel online: "Karrieristen, Freizeit-Könige und eine Handvoll Idealisten" - und meint damit die Studenten dieses Fachs, die später unsere Unternehmen bevölkern. Aber wieso soll das relevant sein?

Nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dass diese Kriterien mindestens so viel mit Verhalten zu tun haben dürften wie Hautfarbe, Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Ausbildungsstand usw. Es ist doch faszinierend: Sie sehen gleich aus, sitzen in den gleichen Büros, trinken den ganzen Tag den gleichen Café - und sind doch aus komplett veschiedenen Gründen und mit völlig verschiedenen Motivationen unterwegs.

Sie verfolgen andere Ziele.

Und das ist die Knacknuss: Man nimmt im Allgemeinen an, dass Mitarbeiter - die einen mehr, die anderen weniger - grundsätzlich einmal die Ziele des Unternehmens verfolgen.

Diese Annahme ist falsch. Das weiss sogar die klassische Mikroökonomie, also die Lehre der Mechanismen und Gesetzmässigkeiten innerhalb eines Unternehmens, die sich sonst nicht gerade durch allzu grosse Realitätsrelevanz auszeichnet. Sie untersucht unter dem Titel "Principal-Agent-Dilemma" die unterschiedlichen Interessen der Besitzer eines Unternehmens und seiner Angestellten. Der eine will den Wert seines Unternehmens erhöhen, der andere seinen persönlichen Nutzen - was immer das auch sei. Das Prinzip dahinter ist einfach: Der Mensch ist ein Nutzenoptimierer und darauf ausgelegt, seine Ziele zu verfolgen - das hat ihn evolutiv ziemlich weit gebracht. Und seine Ziele hängen nun einmal eng mit dem zusammen, was er als nützlich betrachtet: Der eine will Geld und Status, der andere Ferien und Freizeit und der Dritte die Umsetzung seiner Wertvorstellungen. Es ist geradezu abstrus davon auszugehen, dass ein Angestellter, kaum hat er den Arbeitsvertrag unterzeichnet, seine eigenen Ziele gegen die des Unternehmens austauscht. Das wird nicht passieren, auch wenn er's verspricht.

Die Folge davon: Ein Unternehmen - jedes soziale System eigentlich - ist ein Sammelbecken von Menschen, die völlig verschiedene Ziele verfolgen. Das sollte man sich bewusst machen, es lässt sich nicht vermeiden, so lange Menschen zusammenarbeiten.

Die Frage ist also: Was machen wir damit?

Erstens: Je mehr es dem Unternehmen gelingt, die eigenen Ziele und die seiner Mitarbeiter in Einklang zu bringen, desto mehr profitiert es davon, dass sich in seinen Räumlichkeiten permanent Leute aufhalten und irgendetwas tun. Das ist wichtig für die Effizienz des Unternehmens.

Zweitens: Man darf sich einmal die Frage stellen, was passiert, wenn's eng wird. Wenn aus unterschiedlichen Zielen eines Tages Zielkonflikte werden. Wie reagieren Mitarbeiter, wenn sie im Unternehmen ihre persönlichen Ziele nicht mehr erreichen können? Wenn's - aufgrund eines kleinen Imageproblems der Branche oder der Firma - plötzlich nicht mehr statusfördernd ist, dort zu arbeiten? Wenn besonderer Druck einen besonderen Effort verlangt, der sich mit dem persönlichen Freizeitbedürfnis nicht mehr deckt? Wenn das Unternehmen keine Topjobs zur Verteilung an Mitarbeiter übrig hat, die einen Topjob als zwingenden nächsten Schritt ihrer Persönlichkeitsentwicklung betrachten? Wenn man Unterstützung von Kollegen braucht, ohne dass die etwas davon haben? Wenn das Licht ausgeht und keiner mehr hinschaut? Was passiert also, wenn's wirklich eng wird?

Diese Frage sollte man sich stellen - und eine ehrliche Antwort nicht scheuen. Eine besondere Art von Stresstest, anwendbar auf die eigenen Mitarbeiter, die Kollegen, das persönliche Umfeld. Ein bisschen anders gelagert als die Risikoanalyse der Bilanzstruktur oder die Prüfung der Rücklagen auf dem Bankkonto - aber nicht weniger entscheidend, wenn's hart auf hart geht.

Und die Antwort ist einfach: Man wird spätestens dann die Ziele jedes Einzelnen kennenlernen. Man wird - neutral ausgedrückt - festellen, dass sie unterschiedlich sind und immer waren, auch wenn alle bisher gleich ausgesehen haben, im gleichen Büro sassen und den ganzen Tag den gleichen Café getrunken haben. Und man wird mit ihren Reaktionen umgehen müssen.

Dagegen kann man sich nicht dagegen versichern - aber eines kann man tun: Man kann die Quote der wichtigen Leute ein bisschen im Auge behalten und zu steuern versuchen. Man kann wichtige Positionen mit Menschen besetzen, denen man zutraut, einen solchen Stresstest zu überstehen. Und man sollte durch Gehabe und Gebaren dafür sorgen, dass, neben den Karrieristen und den Freizeit-Königen, die Idealisten-Quote nicht schon im Vorfeld auf null sinkt. Dann bleibt eine Restchance, am Schluss nicht ganz alleine an der Cafémaschine zu stehen.

Für einmal eine unterstützenswerte Quotenregel, oder nicht? Direkt einsetzbar als Optimierungsmassnahme des "Systemelements Mensch", mit dem wir uns hier seit einigen Wochen beschäftigen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch ein schönes langes Wochenende - mit viel Getümmel vor dem Kühlschrank, an der Cafémaschine oder - wetterbedingt - dem Gartengrill.

Beste Grüsse,

Frank

Macht Wissen schuldig?
Vom Heldenmut als Todesart

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Kommentare 2

rose.marvell (website) am Freitag, 27. April 2012 15:08

spannend - trifft den zeitgeist und die immer stärker werdende orientierungslosigkeit der gesellschaft.
frage: wer deffiniert die regeln und wer hat die ultimative entscheidungsmacht?

spannend - trifft den zeitgeist und die immer stärker werdende orientierungslosigkeit der gesellschaft. frage: wer deffiniert die regeln und wer hat die ultimative entscheidungsmacht?
frank (website) am Freitag, 27. April 2012 15:44

letztlich ist jeder für seinen verantwortungsbereich zuständig: der ceo für's unternehmen, der abteilungsleiter für die abteilung - und die privatperson am schluss für ihren freundeskreis.
und schon beim letzten beispiel sieht man, dass die quoten zwischen karrieristen, freizeit-königen und idealisten (wenn wir die welt mal so vereinfachen wollen) von verschiedenen leuten sehr verschieden gesetzt werden

letztlich ist jeder für seinen verantwortungsbereich zuständig: der ceo für's unternehmen, der abteilungsleiter für die abteilung - und die privatperson am schluss für ihren freundeskreis. und schon beim letzten beispiel sieht man, dass die quoten zwischen karrieristen, freizeit-königen und idealisten (wenn wir die welt mal so vereinfachen wollen) von verschiedenen leuten sehr verschieden gesetzt werden :D
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