Nettes Wetter draussen. Wenn das so bleibt, könnte das ein paar produktive Tage geben. Endlich mal Zeit für alles, was man schon lange machen wollte - ohne Sozialzwang, sich in der Wintersonne die Füsse kaputt zu spazieren. Bleibt sogar Zeit , diesen Artikel zweimal zu lesen. Und das sollte man auch, um nicht über den schrägsten Introtext zu stolpern, der je in einem Crowdsourcing-Blog gemacht wurde:

"I’m going to give you some advice that might be hard to take. That advice is: Work alone... Not on a committee. Not on a team.”

Man könnte über diesen Ratschlag grosszügig hinweglesen, wenn er nicht von einem kommen würde, dem wir in gewissem Masse sogar das Lesen dieser Zeilen am Bildschirm unseres Rechners verdanken: Steve Wozniak, Erfinder des Personal Computers und Mitgründer von Apple Computer. Einem also, der etwas nicht ganz Irrelevantes erfunden hat - und der deshalb ein Wörtchen dabei mitzureden hat, wie so etwas geht. Und er scheint Recht zu haben: es gibt eine zunehmende Zahl von Studien die belegen, dass Teamwork und grosse Erfindungen negativ miteinander korreliert sind.

Besonders hart in der Kritik: Brainstorming. Wenn heute ein aussergewöhnlich innovativer Projektleiter - allen Widerständen gegen dieses neumodische Zeug zum Trotz - eine gezielte Brainstorming-Session in seinen Projektablauf einstreut, bedient er sich einer Methode, die der 1888 geborene Alex F. Osborne im Jahre 1957 (also immerhin noch im letzten und nicht im vorletzten Jahrhundert!) formell erfand und beschrieb. Hochmodern - seinerzeit.

Während seither unzählige wissenschaftliche Studien belegen wollen, dass Brainstorming zu qualitativ wie quantitativ signifikant schlechterer Ideenproduktion führt als das einsame Brüten im stillen Kämmerlein, gibt es seit den 90er-Jahren eine Gegenbewegung, die diesen Studien unterstellt, mit völlig falschen Modellannahmen zu operieren (was Wirtschaftswissenschaftlern schon einmal passieren kann...). Dass an solche Annahmen - wie beispielsweise die richtige Gruppengrösse - schon grössere Geister gescheitert sind, ist bildreich belegt:

dilbert-brainstorming

 

Überhaupt: Dieser ganze Teamwork-Ansatz ist - im Gegensatz zur landläufigen Meinung - keine Errungenschaft der kämpferischen 60er- oder der soften 70er-Jahre. Er wurde in den 1920er Jahren als Gegenbewegung zur "seelenlosen" Massenproduktion und Fliessbandfertigung ersonnen und just dann (das war vor rund 90 Jahren) bei Daimler-Benz in Form der "Gruppenfabrikation" experimentell eingesetzt.

Das alles sind äusserst beunruhigende Erkenntnisse - vor allem hier auf einer Crowdsourcing-Plattform: Ist die Sache mit der Überlegenheit der Gruppe - im Crowdsourcing quasi eine Art Basisevangelium - nichts als eine bereits aus der Mode gekommene Modeerscheinung? Sind die grossen Visionen der sich radikal verändernden Arbeitswelt, in der sich neue Formen der Zusammenarbeit qua Effizienz ganz von selbst durchsetzen, Trugbilder? Setzen wir hier auf ein totes Pferd?

Es gibt ein paar Finessen in dieser Diskussion, die die man nicht übersehen sollte. Susan Cain unternimmt in ihrem Artikel "The Rise of the New Groupthink" (inzwischen ist daraus ein Buch geworden: "Quiet: The Power of Introverts in a World that can't stop talking") einen Klärungsversuch mit zwei wesentlichen Argumenten:

Weniger niederschmetternd also, diese Erkenntnisse, als vielmehr fordernd: plumpes Drauflos-Crowdsourcen zu allen erdenklichen Fragestellungen, stumpfes und massenhaftes Einsammeln von Ideen einer weitgehend unbeteiligten Community oder blosses Heranzüchten von irgendwelchen Netzwerken um der Züchterei willen - ohne Einordnung in eine klare Struktur, ohne gezielte Koordination von Problemstellung und Lösungsmethode bleiben das alles nette Versuche. Der erwartete Effizienzschub und die vorhergesagte Revolution der Arbeitswelt werden so noch eine Weile auf sich warten lassen. Crowdsourcing ist alles andere als Anarchie - es ist das gezielte Nutzen der "Wisdom of the Crowds" für sorgfältig ausgewählte und aufbereitete Fragestellungen. Und das ist eine Herausforderung für alle Beteiligten.

Was bleibt also als Kernbotschaften aus diesem Artikel?

Das wär's für heute. Das Wetter bleibt schlecht - das reicht sogar noch, um einen Kommentar zu schreiben. Crowdsourcing im Kleinen quasi - so fangen Revolutionen an!

Mit den besten Wünschen für die produktiven Tage,

Frank

PS: Einen besonderen Dank an User Hends, der mit einem Link und einer Kurzdiskussion an der Cafémaschine dieses Thema in die Gänge gebracht hat!